Viele Menschen wussten schon als Kind, was sie mal werden wollen, wenn sie groß sind. Mein Weg dagegen ist geprägt von vielen Zufällen und spannenden Möglichkeiten, keineswegs gradlinig, aber immer aufregend. Eins kann ich aber sagen: ich hätte NIE gedacht, dass ich mal Yogalehrerin werde und schon gar nicht mit einer Spezialisierung auf Curvy Yoga für Frauen mit Größe!
Zählt „abschreiben lassen“ als Wissen teilen? Vermutlich nicht, aber schon als Kind habe ich immer gern mein Wissen mit anderen geteilt. Geboren wurde ich 1976 in Hagen in Nordrhein-Westfalen, wohlwollend auch „Das Tor (vom Ruhrgebiet) zum Sauerland“ genannt. Die Schule fand ich immer toll, da gab es so viel Neues zu Lernen. Ich habe den Deutsch-Unterricht geliebt, insbesondere Aufsätze schreiben! Ob das der Grundstein war, eines Tages mal zu bloggen?
Sport machen ohne Sport zu machen. Ein gewisser Bewegungsdrang ist mir definitiv auch in die Wiege gelegt worden, daher habe ich neben dem klassischen Schulsport auch Kinderballett oder Funkemariechen ausprobiert. Allerdings lässt sich festhalten, dass ich „Mannschaftssport“ mit starren „Spielregeln“ schlicht doof finde, so dass ich mich als Teenager dann anderen Sportarten wie Reiten, Downhill-Mountainbiken und Wildwasser-Kanufahren gewidmet habe. Nix mit esoterischem Yoga-Gedöns.
Wenn es anders kommt, kann es auch geil werden. Nach meiner kaufmännischen Ausbildung (ich war schon immer eher der Praktiker, als der Theoretiker!) wollte ich eigentlich „International Business“ studieren. Die Noten haben leider nicht ganz gereicht, so dass ich „ein Wartesemester“ nutzen wollte zum Geld verdienen und erst einmal bei einer Zeitarbeitsfirma begonnen habe. Hier bin ich als Urlaubs- und Krankheitsvertretung in verschiedenen Unternehmen eingesprungen. Also sehr viel Abwechslung, sehr viel „ins kalte Wasser springen“, sehr viel lernen. Um es mit dem Refrain von Juli zu sagen: Es war ´ne geile Zeit!
Spannung pur. Von einem Kunden der Zeitarbeitsfirma aus der IT-Branche wurde ich dann letztlich abgeworben. Die spannenden Aufgaben und das gute Gehalt haben dafür gesorgt, dass ich jeden Gedanken an ein Studium ad acta gelegt (und es auch bis heute nicht bereut) habe.
Ungesunde Ernährung, kaum Bewegung, ganz viel Stress: die Pfunde wachsen. Dies war die andere Seite meines spannenden Starts ins Berufsleben. In dem IT-Beratungshaus konnte ich relativ schnell tolle Projekte übernehmen. Oder anders: montags früh 6:00 Uhr mit dem ersten Flieger los, freitags abends um 20:00 Uhr mit dem letzten Flieger zurück. Unter der Woche dann leckeres Hotelfrühstück, tagsüber Schoki und Weingummi, abends (sehr) spät noch deftiges Essen. Inhaltlich spannende Aufgaben, aber das „Drumherum“ führte schnell dazu, dass ich mir einige Kleidernummern größer zulegen musste.
Gesunde Ernährung, was ist das? Genervt von den Pfunden begann ich, mich intensiver mit gesunder Ernährung zu befassen und letztlich habe ich mir von einer Ernährungsberaterin helfen lassen nachhaltig abzunehmen. Die neu gewonnene Energie wurde dann gleich in verschiedene Sportarten wie Joggen (Halbmarathon – Yes! I made it) und Krafttraining gegen die Rückenschmerzen investiert. Aber offen gesagt mehr aus Vernunftgründen als aus wirklicher Freude! Da ich weiterhin anspruchsvolle und stressige Jobs hatte mit viel Sitzen am Schreibtisch, war das aber zumindest ein guter Ansatz, um die Rückschmerzen im Griff zu halten.
Selbstlernen mit Online-Videos – oder auch Scheitern auf ganzer Linie. Ich musste doch tatsächlich 34 Jahre alt werden, um meinen Weg zum Yoga zu finden! Yoga. Das war für mich damals so ein esoterisches Ding und kein Ernst zunehmender “Sport”. Eine Kollegin erzählte mir von einem dynamischen Stil namens Ashtanga, der mich neugierig machte. Voll motiviert suchte ich mir im Internet Videos dazu, bin beim Nachmachen daheim aber sehr, sehr schnell an meine Grenzen gekommen. Zum Glück war ich dann klug genug, doch erstmal mit einem Anfängerkurs im Hatha-Yoga als Grundlage zu beginnen.
Der (echte) Anfang von allem. Im Januar 2011 habe ich also einen 10-wöchigen Anfängerkurs bei Yoga Vidya in Schwerte-Ergste begonnen. Wenn ich heute daran zurückdenke, muss ich über mich selbst schmunzeln. Trotz gegenteiliger Ansage der Yogalehrerin habe ich mich immer mit den Nachbarmatten verglichen – die kommen viel tiefer, die können viel länger halten… ich habe mich selbst total unter Druck gesetzt. Auch der Kopf kam nicht zur Ruhe, in Gedanken habe ich während der Praxis emails formuliert oder Einkaufszettel geschrieben. Das, was Yoga eigentlich bedeutet und ausmacht habe ich jahrelang nicht verstanden… Danke, liebe Baghavati, dass du nie die Geduld mit mir verloren hast!
Die Frage aller Fragen. Als meine damalige Yogalehrerin Bhagavati mich fragte, ob ich nicht die Ausbildung zur Yogalehrerin machen möchte, sie könnte sich das für mich total gut vorstellen, dachte ich nur: was für ein schräger, völlig abwegiger Gedanke! Zugegeben, mein Wissen mit anderen zu teilen ist auch ein großer Bestandteil meines Erwachsenenlebens (heute allerdings in Form von netzwerken oder durch die Betreuung von Praktikanten und Azubis), aber lehren???? Nee. Doch irgendwie hat mich das nicht losgelassen…
Das Leben steht Kopf. Nachdem mein Leben durch einen unerfüllten Kinderwunsch und einen Hausbau ziemlich durchgewirbelt wurde, hatte ich 2016 doch tatsächlich den Wunsch, eine Yogalehrer-Ausbildung zu machen. Finanziell war das damals leider nicht drin und so war es erst im Jahr 2020 so weit. Entschieden habe ich mich für die 400-Stunden-Intensiv-Ausbildung bei Yoga Vidya. Hierfür war ich mehrmals für je eine Woche in den Seminarhäusern in Bad Meinberg im Teutoburger Wald bzw. Horumersiel an der Nordsee. Intensiv-Ausbildung meint übrigens auch „intensiv“. Los ging es morgens um 6 Uhr und endete abends um 22 Uhr. Natürlich mit Mittagspause und Studierzeit, aber es war wirklich sehr intensiv.
Wenn ich ganz ehrlich bin, wollte ich nie unterrichten. Ich habe die Ausbildung nur für mich selbst begonnen. Aufgrund einer Skoliose und dem ganzen Sitzen am Schreibtisch mit viel Stress habe ich ständig Rückenprobleme. Von der Ausbildung habe ich mir versprochen, meine eigene Yogapraxis noch stärker auf meine Bedürfnisse anpassen zu können, um die Schmerzen zu lindern. Nach der ersten Lehrprobe war ich dann aber so begeistert, dass ich unterrichten wollte und meine Freundinnen gefragt habe, ob sie sich als Versuchskaninchen zur Verfügung stellen.
MOMENT MAL!!!!!! Zu dick???? Meine Freundinnen wollten mich grundsätzlich schon unterstützen, haben mir aber leider abgesagt mit der Begründung, dass sie ja viel zu dick wären, um Yoga praktizieren zu können. Moment mal! Das konnte ich mir jetzt gar nicht vorstellen und habe daher angefangen zu recherchieren. Dabei bin ich auf eine der wenigen, dicken Yogalehrerinnen in Deutschland gestossen, auf Birgit Feliz Carrasco. Sie zeigt mit ihrer Kleidergröße 56 eindrücklich, das Gewicht kein Hindernis ist!
Birgit bietet zum Glück Fortbildungen für Yogalehrer an, in denen sie ganz speziell darauf eingeht, wie asanas angepasst werden können für gewichtige Frauenkörper. Für meine Freundinnen gab es nun keine Ausreden mehr und seit über einem Jahr sind sie nun unermüdlich jede Woche mit Spaß auf der Matte!
HEUTE bin ich hauptberuflich und seit mittlerweile über 15 Jahren bei einem marktführenden Einzelhandelsunternehmen tätig und betreue als Key Account Geschäftskunden von der Akquise, über Vertragsverhandlung und Anbindung bis hin zu den kleinen Sorgen im Alltag. Immer wieder darf ich strategisch wichtige Projekte leiten, mit tollen Kollegen zusammenarbeiten und viel Neues lernen.
Joggen und Krafttraining habe ich mittlerweile ad acta gelegt. Ich selbst praktiziere nur noch Yoga. Das ist es, was mir jetzt seit mehr als 13 Jahren wirklich Freude macht. Es ist vielseitig und abwechslungsreich, fordernd oder entspannend, ich kann es auf meinen Körper, meine Bedürfnisse, meine Tagesform anpassen. Die einzige Regel lautet: höre auf dich selbst und mache das, was dir gut tut. Ich liebe es!
HEUTE bin ich aber auch Yoga-Lehrerin und spezialisiert auf Curvy Yoga für Frauen mit Größe. Weil es mir selbst so gut tut und mich glücklich macht, baue ich nebenbei und mit großer Leidenschaft mein „Curvy Yoga-Imperium“ auf (der interne und nicht ganz ernst gemeinte Arbeitstitel ;-)).
Meine Mission ist es, kurvigen Frauen zu ermöglichen ebenfalls die wunderbare Wirkung von Yoga zu erfahren. Dafür passe ich die asanas an, nicht die Frauen.
Ich bin dankbar, mein Wissen – ganz ohne Abschreiben – weitergeben zu dürfen und den Yoga-Unterricht für meine kurvigen Schülerinnen entspannt, fordernd, fördernd und fröhlich zu gestalten. Ich genieße es sehr, meine Schülerinnen auf ihrem Weg zu begleiten und wachsen zu sehen.
Über Erfahrungen und persönliches Wachstum. Jede neue Schülerin und somit jede neue gesundheitliche Ausgangslage bringt auch für mich neue Erfahrungen und persönliches Wachstum. Egal ob Lipödem/Lymphödem, Bandscheibenvorfälle oder Asthma, eine Zwerchfellhernie, Bänderrisse oder „Knie“, mit all diesen Herausforderungen lässt sich trotzdem Yoga praktizieren; es braucht nur die passende asana-Variation und Unterstützung.
Meine persönlichen Gänsehaut-Momente sind immer die Momente, in denen aus einem kleinlauten “das kann ich nicht!” ein glückliches und strahlendes “das kann ich ja doch!” wird. Oder wenn nach den Yoga-Stunden so ein wunderbares Feedback von meinen tollen Yoginis kommt:
Dieser Artikel ist im Rahmen der „Boom Boom Blog“ Challenge von Judith @Sympatexter Peters im Mai 2022 entstanden. Rund 1.500 Teilnehmer:innen haben innerhalb von 7 Tagen verbloggt, wie sie wurden, was sie sind.
Wenn du neugierig bist, welche Blog-Artikel am 29. Mai 2022 sonst noch das Licht der Welt entdeckt haben, schau hier. Unter diesem Artikel haben sich die Teilnehmer:innen verewigt!
Wenn du mehr von mir lesen möchtest, schau dir gern meine Artikel z.B. aus der Kategorie asana-Lexikon an. Hier stelle ich dir klassische asanas vor und wie du sie in der Curvy-Variante mit ordentlich Bauch, Bein, Busen und Po durchführen kannst.
So schön Dein Weg. Ich liebe Yin-Yoga und finde es wundervoll für meinen Rücken. Dass Curvy-Yoga ist eine wertvolle Idee, denn oft ist die Schwelle groß in einen ‚Sportkurs‘ zu gehen, wenn der Körper nicht der Mode entspricht. Zumindest ist das eine meiner persönlichen Erfahrung von früher. 🧘♀️
Hallo Ivonne, danke für dein Feedback! Ich liiiiiebe Yin Yoga auch!!!! Insbesondere, wenn beim langen Halten irgendwann der Punkt kommt, wo Körper & Geist so richtig loslassen… hach, herrlich! Ich habe im Frühjahr einen Workshop gehalten mit Yin-Anteilen. Vielleicht sollte ich das noch mal wieder aufgreifen für den Herbst… *grübel* … Danke für die Inspiration! 🙂
Liebe Melli,
ich kenne es bestens, dass bei großer Auslastung im Job als erstes die ausgewogene Ernährung über Bord fliegt… Und: ich liebe dein Business! Ist definitiv eine Marktlücke. Ich war schon SO oft so frustriert beim Yoga, weil die Asanas für meinen Körper nicht gepasst haben. Inzwischen habe ich meinen „Sport, der kein Sport ist“, woanders gefunden, aber falls ich mal wieder mit Yoga liebäugele, denke ich an dich. Viel Erfolg!
Hallo Djuke, vielen Dank für deine guten Wünsche! Jetzt bin ich ja ganz neugierig, welchen „Sport“ du für dich entdeckt hast. Magst du erzählen? Übrigens, Impro-Theater habe ich auch mal ausprobiert und hätte nie gedacht, dass es so viel Spaß machen kann 🙂
Hallo meine liebe Melli. Ich bin neugierig geworden durch dein Feedback auf meinen Artikel. Wow so schön das du Yoga für Curvy anbietest. Wir sollten uns viel mehr wieder unseren Körper widmen. Zuhören was es sagt. Es sendet ständig Briefe aus die nicht aufgemacht werden. Ich selber bin über meine Mentorin Bahar Yilmaz zu einer Kombi von Yoga und Tai CHI gekommen. Das liegt mir sehr. Wobei ich auch finde das Krafttraining wichtig ist für die Erdung. Krafttraining nicht so wie in einem Studio sondern ohne Hilfsmittel. Das mache ich auch gerne. Es hilft so viel und man kann auch hier meditationstechniken miteinfliessen lassen. Auch Pranayama. Witzig: ich habe auch viel bei einer Zeitarbeitsfirma gearbeitet. Und was noch interessant ist ich wohne in Osnabrück. Für meine Hundepsychologieseminare zur Weiterbildung bin ich oft nach Schwerte gefahren. Liebe Grüße aus dem Teutoburger Wald. 😊☘️
Vielen Dank, Björn, und liebe Grüße zurück in den Teutoburger Wald!
Liebe Melli, wie schön, von deinem Weg zu lesen! Ich muss zugeben ich bin zum Artikel gekommen, weil ich auf deinem Insta-Profil dachte: Sie ist doch gar nicht dick, warum dann Curvy-Yoga?
Ich glaube unsere Praxis ist sehr ähnlich, obwohl ich kein Yoga unterrichte.
Ich finde es gerade ganz spannend, weil ich auch manchmal Frauen mit mehr Gewicht im Training habe und jetzt in der Schwangerschaft selbst mitbekomme wo die Herausforderungen bei den Übungen liegen können. Auf jeden Fall liebe ich deinen Ansatz, dass wir genau auf unseren Körper hören und die Übungen genau auf ihn ausrichten. Danke für deinen schönen Beitrag!
Vielen Dank für deine lieben Worte, Regina. Ja, das Hören auf den eigenen Körper ist soooo wichtig und geht in unserer Leistungsgesellschaft leider immer mehr unter. Auch die Werbung mit dürren Models in trendiger Sportkleidung und akrobatischen asanas vermittelt und fördert ein völlig falsches Bild vom Yoga.
Deine Beckenboden-Arbeit finde ich auch spannend und ja, da hast du Recht, wir werden sicher ähnliche Ansätze haben. Lass uns gern dazu im Austausch bleiben!
Erstmal aber alles Gute für deine Schwangerschaft 🙂