In der hektischen Welt von heute sehnen sich viele von uns nach einem ruhigen und bewussten Start in den Tag. Die ayurvedische Morgenroutine, auch bekannt als Dinacharya, bietet eine strukturierte Möglichkeit, Körper und Geist in Einklang zu bringen und den Tag mit Energie und Klarheit zu beginnen.
Was ist Dinacharya?
Dinacharya (Sanskrit für „tägliche Routine“) ist ein zentrales Konzept im Ayurveda, der traditionellen indischen Heilkunst. Es umfasst eine Reihe von täglichen Praktiken, die darauf abzielen, den natürlichen Rhythmen deines Körpers zu unterstützen, das Gleichgewicht der Doshas (Vata, Pitta, Kapha) zu fördern und deine Gesundheit zu erhalten. Du kannst sie also als präventive Maßnahmen betrachten.
Das ist die ayurvedische Morgenroutine im Überblick:
- Frühes Aufstehen
- Mundhygiene
- Warmes Wasser trinken
- Nasenreinigung
- Selbstmassage
- Duschen/Waschen
- Yoga
- Meditation
- Leckeres Frühstück
Du wirst feststellen, dass du einiges davon schon machst, wie z.B. Aufstehen, duschen und frühstücken. Alles andere schauen wir uns jetzt etwas näher an:
Die ayurvedische Morgenroutine Schritt für Schritt
Die täglichen Praktiken möchte ich dir nun einmal einzeln vorstellen. Bitte mache dir bewusst, dass diese Praktiken vor 4.000-5.000 Jahren entwickelt wurden und dass es dir auf den ersten Blick vielleicht schwierig erscheint, sie in dein modernes Leben zu integrieren. Tipps, wie dir das gelingen kann, teile ich im Anschluss an die Vorstellung der jeweiligen Praktiken mit dir.
Hier kommt jetzt erst einmal die ayurvedische Morgenroutine Schritt für Schritt erklärt. Klicke auf das Plus-Zeichen, um mehr zum jeweiligen Thema zu lesen:
1. Frühes Aufstehen
Im Ayurveda wird empfohlen, vor Sonnenaufgang aufzustehen, idealerweise zwischen 4:30 und 6:00 Uhr bzw. in der Sommerzeit 5:30 – 07:00 Uhr. In dieser Zeit herrscht das Vata-Dosha vor, die Energie ist leicht, dein Geist beweglich. Ideal also, um aufzustehen und dich Dinacharya zu widmen.
2. Die Mundhygiene
Die ayurvedische Morgenroutine beginnt mit der Mundhygiene. Diese besteht aus drei Teilen: dem Zungenschaben, dem Ölziehen und dem Zähneputzen. Was es genau damit auf sich hat, erfährst du hier:
Zungenschaben
Ein wichtiger Bestandteil der ayurvedischen Morgenroutine ist das Zungenschaben. Mit einem Zungenschaber entfernst du den über Nacht entstandenen Belag auf deiner Zunge mit sanften Streichbewegungen in Richtung Zungenspitze.
Im Ayurveda gilt die Zunge als eine Art Ausscheidungsorgan. Bei der nächtlichen Reinigung des Körpers sollen Giftstoffe aus dem Körper über die Zunge abgegeben werden, sie zeigen sich dort als weißer Belag. Diesen entfernst du mit dem Zungenschaben. Dies fördert die Mundhygiene und kann langfristig deine Geschmackswahrnehmung verbessern.
So geht´s:
Du möchtest das Zungenschaben gleich ausprobieren? Nimm dir einen Teelöffel, geh ins Bad vor einen Spiegel und streck dir selbst die Zunge raus. Nun beginne sanft, den Teelöffel über die Zunge nach vorn in Richtung Zungenspitze zu schaben. Spüle den Löffel nach jedem Schaben unter Wasser ab.
Häufig höre ich, dass gerade Anfänger einen starken Würgreiz empfinden beim Zungenschaben. Wenn das bei dir auch so ist, probiere diese Tricks:
- Setze den Löffel nicht so weit hinten an
- Nutze einen weicheren Löffel, z.B. aus Kunststoff
Und: du darfst dich daran gewöhnen. Gönn dir ein paar Tage Zeit, dich an diese neue Routine zu gewöhnen und den Bewegungsablauf zu üben.
Ölziehen (Gandusha)
Nach dem Zungenschaben möchten wir nun den gesamten Mundraum reinigen. Beim Ölziehen – auf Sanskrit auch Gandusha genannt – geht es daher darum, die Toxine aus dem Mundraum zu binden. Diese Praxis unterstützt außerdem deine generelle Mundhygiene und stärkt dein Zahnfleisch.
So geht´s:
Hierfür nimmst du einen Esslöffel Öl für etwa 5–10 Minuten in den Mund und bewegst ihn hin und her ohne zu Schlucken. Anschließend spucke das Öl in ein Taschentuch oder WC-Papier und gib es in den Müll (bitte nicht in den Abfluss oder das Klo. Wenn Öl in den Abfluss gelangt, härtet es aus und setzt sich an den Rohrwänden fest. Dies verengt die Durchflussöffnung und erhöht die Wahrscheinlichkeit von Verstopfungen. Zudem kann es zu unangenehmen Gerüchen führen.)
Du möchtest es mal ausprobieren und fragst dich, mit welchem Öl du das Ölziehen praktizieren kannst? Empfohlen werden Sesam- oder Kokosöl aufgrund ihrer antibakteriellen, entzündungshemmenden Eigenschaften. Du kannst zum Ausprobieren aber auch Sonnenblumenöl nehmen.
Auch hier höre ich häufig, das Anfänger mit Würgreiz zu kämpfen haben. Mir geht es offen gesagt genauso. Wenn das bei dir auch so ist, probiere diese Tipps aus:
- nimm weniger Öl, z.B. nur einen Teelöffel
- starte erstmal mit 2-3 Minuten und erhöhe langsam
- Wenn dir das Ölziehen grundsätzlich gefällt, aber das Öl nicht schmeckt, probiere spezielle Ölzieh-Öle (z.B. aus der Drogerie). Diese sind meist mit ätherischen Ölen wie Minze oder Salbei versetzt und “schmecken” einfach besser.
Und wenn du gar keinen Zugang zum Ölziehen findest, ist das auch in Ordnung.
Ich selbst habe verschiedene Öle, Mengen und Zeiten durchprobiert und mir wird immer übel dabei. Daher spüle ich einfach mit Wasser und gehe vom Zungenschaben direkt zum Zähneputzen über.
Zähneputzen
Mit dem Zähneputzen wird die ayurvedische Mundhygiene vervollständigt. Ich glaube, dazu muss ich nicht viel schreiben. Zähne putzen sollte ja jeder von uns können 😉
3. Warmes Wasser trinken
Im Anschluss an die Mundhygiene kommt nun DER ayurvedische Tipp für mehr Wohlbefinden, Energie und Gesundheit schlechthin: Warmes Wasser trinken.
Dies aktiviert deinen Verdauungstrakt und unterstützt auch dieses Ausscheidungsorgan dabei, die Toxine der nächtlichen Reinigung auszuscheiden. Trinke 1-2 Gläser warmes, abgekochtes Wasser.
Wenn du das Wasser schon am Abend vorher kochst und in eine Thermoskanne füllst, hast du am frühen Morgen keine Arbeit damit und kannst das Wasser direkt trinken.
Wenn es dir gut tut, füge dem Wasser einen Spritzer Zitrone oder frischen Ingwer zu. Gerade, wenn deine Verdauung träge ist, kann die Schärfe des Ingwers hier Abhilfe schaffen.
4. Nasen-Reinigung
Nachdem du deinen Mundraum nun gereinigt hast, kannst du als nächstes die Nase und die Nebenhöhlen mit der sogenannten Nasenspülung (auf Sanskrit „Jala Neti“) reinigen.
Hierzu habe ich bereits einen ausführlichen Blog-Artikel inkl. Videoanleitung erstellt.
Gerne fasse ich dir die wesentlichen Punkte hier zusammen:
Die Nasenspülung wird mit Hilfe eines Kännchens und lauwarmen Salzwasser durchgeführt. Die Nase wird mit dem Wasser sanft durchgespült und so gereinigt und z.B. von Pollen befreit.
Zugegeben, die Nase mit Salzwasser zu spülen klingt erstmal nicht so einladend, es tut aber wahnsinnig gut! Das Salzwasser wirkt nämlich entzündungshemmend und abschwellend auf die Schleimhäute. Das führt dazu, dass es dir danach wieder leichter fällt, durch die Nase zu atmen und auch dein Kopf wird sich viel freier und klarer anfühlen.
Regelmäßig praktiziert kann es vorbeugend gegen Erkältungen wirken und dir helfen, deine allergische Reaktion bei Heuschnupfen zu lindern.
WICHTIG: Nimm niemals kaltes Wasser ohne Salz! Dies reizt die Schleimhäute massiv und bewirkt genau das Gegenteil. Außerdem tut es höllisch weh.
Um die Schleimhäute zu pflegen, kannst du zum Anschluss an die Nasenreinigung ein paar Tropfen Sesamöl oder Ghee in die Nasenlöcher geben. Alternativ gibt es auch Nasencremes im Drogeriemarkt, falls dir das mit dem Öl nicht zusagt.
5. Selbst-Massage
Um deinen Kreislauf morgens anzuregen, ist eine Selbstmassage – auch mit einem schönen Peeling – eine tolle Sache. Sie fördert die Durchblutung und nährt deine Haut. Streiche dafür deinen ganzen Körper liebevoll aus, angefangen beim Kopf und im Gesicht, über den Rumpf, die Arme, den Bauch und die Beine bis runter zu den Füßen.
Du wirst merken, wie wohltuend es ist, dir diese liebevolle Aufmerksamkeit zu schenken und wie energetisierend diese Praxis ist.
Und vielleicht brauchst du ja demnächst morgens keinen Kaffee mehr? 😉
6. Duschen / Waschen
Nach der Massage kannst du ganz normal duschen, dich waschen und anziehen.
7. Yoga
Sanfte Yoga-Übungen helfen dir, deinen Körper zu aktivieren und den Geist für den auf dich wartenden Tag zu zentrieren.
Hier habe ich eine 13-minütige Videoanleitung für dich, mit einer schönen Sequenz zur Aktivierung deines Körpers.
Wenn es dir gut tut, kannst du gern Pranayama – Atemübungen – praktizieren. Hier bieten sich die Feueratmung (Kapalabhati) an, um dich zu energetisieren oder die Wechselatmung (Anuloma Viloma), um dich zu harmonisieren.
Die klassische Bauchatmung ist auch eine wunderbare Atemtechnik für den Start in den Tag.
8. Meditation
Eine kurze Meditation unterstützt deine geistige Klarheit und bereitet dich auf die Herausforderungen des Tages vor. Wie wäre es z.B. mit dieser 8-minütigen Selbstliebe-Meditation?
9. Leckeres Frühstück
Als letzte und vermutlich schönste Praxis am Morgen gönne dir ein leckeres Frühstück. Der Ayurveda empfiehlt ein warmes, leicht verdauliches Frühstück, das dich und deinen Körper nährt, mit Energie versorgt und deine Verdauung nicht belastet.
Wenn du Inspiration für ayurvedische Gerichte möchtest, komm zum Ayurveda Home Retreat, das ich gemeinsam mit der Ayurveda-Köchin Silke Schauer von dattelchutney veranstalte. Hier bekommst du tolle Rezepte, die wir gemeinsam live online kochen und Silke teilt ganz viele Tipps & Tricks mit uns.
Tipps zur Integration in den Alltag
Jetzt hast du die Ayurvedische Morgenroutine im Detail kennengelernt. Fühlst du dich gerade wie erschlagen von der Menge an Praktiken?
Das kann ich verstehen. Auf den ersten Blick klingt das alles wahnsinnig kompliziert, aber das muss es nicht sein. Du musst nicht alles davon machen und schon gar nicht sofort.
Erlaube dir, die einzelnen Praktiken Schritt für Schritt zu erkunden. Und wenn du eine ayurvedische Morgenroutine in deinem Leben etablieren möchtest, dann folge diesen bewährten Tipps:
- Anpassung an deinen Lebensstil: Passe die ayurvedische Tagesroutine an deinen Zeitplan und deine Bedürfnisse an. Du bist die Chefin in deinem Leben und du gibst dir vor, was sein darf.
- Schrittweise Einführung: Beginne mit ein oder zwei Praktiken und erweitere die Routine nach und nach, wenn du Lust hast. Es ist auch okay, wenn du nur eine der Praktiken in dein Leben integrierst.
- Regelmäßigkeit: Praktiziere lieber regelmäßig, statt perfekt.
[Aaargh, meine innere Perfektionistin rebelliert gerade und schimpft mit mir, wie ich denn so was schreiben kann. Denn wenn es nach ihr ginge, müsste alles immer 120% perfekt sein. Aber zum Glück bin ich ja die Chefin in meinem Leben ;-)]
Extra-Tipp: Stelle dir deine persönliche Morgenroutine so zusammen, dass sie dir Freude bereitet, du dich gut fühlst und es sich gut mit deinem Leben vereinbaren lässt.
Einblick in meine persönliche Morgenroutine
Um dir zu zeigen, dass ich es wirklich ernst meine mit dem individuellen Anpassen, nehme ich dich einmal mit in meine persönliche Morgenroutine – die umfasst nämlich auch nicht alle der vorgestellten Punkte.
Ich selbst praktiziere z.B. …
- das Aufstehen in der Vata-Zeit vor 7:00 Uhr morgens,
- das Zungenschaben,
- Zähne putzen,
- Wasser trinken
- die Nasenspülung,
- eine individuelle Yoga-Praxis
- und natürlich lecker frühstücken.
Da ich sehr viel Energie habe, brauche ich nicht noch zusätzlich eine energetisierende Selbstmassage. Aus dem gleichen Grund verzichte ich auch auf die Meditation – dafür habe ich morgens einfach keine Ruhe.
Meine Yoga-Praxis wird täglich individuell angepasst. Manchmal mache ich die Übungen aus dem obigen Video, manchmal einen kleinen Sonnengruß-Flow. An manchen Tagen mache ich auch gar kein Yoga und das ist total fein.
Häufig vergesse ich auch am Abend das Wasser zu kochen. Anfangs habe ich mich immer darüber geärgert. Heute nehme ich es, wie es ist und koche das Wasser dann frisch oder lasse es auch mal weg.
Gestern habe ich mal die Zeit gestoppt: meine persönliche Morgenroutine vom Aufstehen bis zum Frühstück dauert 17 Minuten und 53 Sekunden. Gar nicht so lang, oder?
Fazit zur ayurvedischen Morgenroutine
Die ayurvedische Morgenroutine bietet dir eine strukturierte Möglichkeit, den Tag bewusst und gesund zu beginnen. Egal, was dich im Laufe des weiteren Tages erwartet, du hast am Morgen schon gut für dich gesorgt und gehst gestärkt in den weiteren Tag.
Für dein erfülltes Leben.